Reflexion der Veranstaltung: Der janusköpfige November in der deutschen Geschichte

Am 21.11.2014 fand am Matthias-Grünewald-Gymnasium Würzburg die Tagung „Der janusköpfige November in der deutschen Geschichte“ statt. In zwei Vorträgen und einer anschließenden Debatte hat man sich zentralen Fragen zur gegenwärtigen Erinnerungskultur bezüglich der deutschen Zeitgeschichte gestellt.

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In einem Eröffnungsvortrag hat Herr Prof. Dr. Großbölting nach den Möglichkeiten einer vergleichenden Erinnerungskultur gesucht. Grundsätzlich steht er dem Ansatz skeptisch gegenüber.

In seiner Argumentation hat er den Schicksalstag der Deutschen, den 9. November, an sich in Frage gestellt.  So werde an diesem Tage nicht aller Ereignisse gedacht; ebenso sind die erinnerten Ereignisse – hier mit Blick auf den 9.11.1989 – nicht immer von jener historischen Wichtigkeit gewesen, da andere Ereignisse in ihrer Tragweite wichtiger gewesen seien. Ebenso stellt er fest, dass der Vergleich von Diktaturen schwierig sei, da dieser zu Verwässerungen führt, obschon ein Vergleich in bestimmten Sektoren durchaus gewinnbringend sein kann. Schließlich macht er darauf aufmerksam, dass Erinnerung – anders als Geschichtswissenschaft – gesellschaftliche Identität stiftet und von Emotionen lebt.

Insofern plädiert Prof. Großbölting dafür, die jeweiligen erinnerten historischen diktatorischen Epochen differenziert und in ihrer Zeit zu betrachten und vielmehr die Regeln des Diskurses – wenn es um einen Vergleich geht – zu thematisieren.

Herr Prof. König (Foto) fragt danach, was man mit welcher Bedeutung in Gesellschaften erinnern kann, da man aufgrund der Begrenztheit des gesellschaftlichen Gedächtnisses sich nicht alles merken kann. Folglich ist die Erinnerungskultur, öffentlich und politisch verortet, stets ein Gegenpol zur Geschichtswissenschaft.

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Von der Frage nach der Bedeutung geleitet, gelangt Herr Prof. König dazu, überhaupt nach dem Grund der Erinnerung zu fragen: Warum solle man etwas erinnern? So verweist er auf den Wandel nach dem ersten Weltkrieg und erklärt, dass nach diesem einschneidenden Krieg ein Erinnern notwendig geworden sei, damit die Grausamkeiten nicht in Vergessenheit geraten.

Schließlich, gerade mit Blick auf den 09. November, arbeitet er den Aspekt der rächenden Gedächtnispolitik auf und verweist darauf, dass bestimmte Ereignisse so platziert werden, dass sie frühere Ereignisse im Sinne eines Revanchismus verkomplizieren.

In der anschließenden Debatte werden zentrale Fragestellungen der beiden Vorträge aufgegriffen und vertieft. So stellt man fest, dass man die Gegensätzlichkeit und Widersprüchlichkeit des 09.Novembers nicht auflösen kann; vielmehr müsse man mit dem lachenden und dem weinenden Auge leben. Ebenso stellt man fest, dass innerhalb der Erinnerungskultur durchaus Verfälschungen der historischen Wahrheiten hingenommen werden und dass die Geschichtswissenschaft hier aufgerufen ist, diese Vereinfachungen sinnvoll zu hinterfragen.

Zum Abschluss werden die Debattanten danach gefragt, was man warum erinnern muss. Hier hat keine Einigkeit geherrscht. So Prof. König schlägt auf der einen Seite vor, dass man nicht alles wissen kann, was vielleicht notwendig ist, so dass man den Mut zur Lücke aufbringen müsse.

Herr Denninger verweist in diesem Zusammenhang zum einen auf die zentrale Funktion des Lehrers, gleichwohl sieht er in den emotionalen Geschichte, die durchaus kritisch zu hinterfragen sind, einen Zugang zu Wissen und Verständnis von Geschichte.

Schließlich mahnt Herr Prof. Stickler an, dass man ein Zeitgerüst wissen muss, durch welches man in die Lage versetzt wird, bestimmte Personen und Ereignisse in die jeweils richtige Epoche zuzuordnen.

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