Ein Schulhof voller Trabis

Mythos DDR: Das Matthias- Grünewald- Gymnasium lädt am Samstag zur Aufarbeitung

„Die DDR war keine Diktatur, die Menschen mussten sich nur wie überall anpassen.“ Das Zitat stammt aus einer Studie über das Bild der DDR bei Schülern im Jahr 2008. Der Forschungsverbung SED- Staat der Freien Universität Berlin befragte damals mehr als 5200 Jugendliche in Bayern, Brandenburg, Nordrhein- Westfalen und Berlin. Fast die Hälfte der ostdeutschen und 66 Prozent der westdeutschen Schüler bejahrte diese Aussage.

„Es ist erschreckend, wie wenig viele Schüler über die Geschichte der DDR wissen“, sagte Tobias Pohl, Lehrer am Matthias- Grünewald- Gymnasium. Im Lehrplan existiere eine gewisse Schieflage: „In Sachen Rechtsextremismus leisten wir tolle Aufklärungsarbeit, der Linksextremismus wird aber oftmals stiefmütterlich behandelt.“

„Es ist erschreckend, wie wenig Schüler über die Geschichte der DDR wissen“

Tobias Pohl Organisator

Pohl, der selbst zehn Jahre seiner Kindheit in der DDR verbracht hat, will dieser Unwissenheit entgegenwirken. Unter dem Motto .Aufarbeitung des Mythos der DDR“ organisiert er am Samstag, 5. Mai, von 9 bis 16 Uhr eine Veranstaltung mit Vorträgen
und verschiedenen Ausstellungen rund um die Geschichte der DDR am Matthias-Grünewald-Gymnasium, Zwerchgraben 1. Kommen kann jeder, die Veranstaltung ist öffentlich.
„Ich leite in der elften Klasse ein Wissenschaftspropädeutisches Seminar zum Thema ‚DDR-Geschichte‘. In dessen Rahmen waren wir fünf Tage auf einer Klassenfahrt in Dresden und haben viele interessante Kontakte geknüpft“, erzählt Pohl. Dort entstand auch die Idee für die Veranstaltung, „Ich habe mit Zeitzeugen gesprochen, einige begannen
zu-weinen, als sie von damals erzählten. Ihre Geschichte darf nicht vergessen werden sagt Pohl.
Vier der Zeitzeugen konnte Pohl für seine Aktion gewinnen. Einer von ihnen ist Hartrnut Richter: Er hatte sich als Jugendlicher zunächst mit dem System der DDR arrangiert.
Er war Pionierleiter seiner Schule. Jedoch lehnte er den Spitzeldienst ab und weigerte sich in die FDJ einzutreten. VOn da an begann seine „kriminelle Karriere“. Er unternahm mehrere Fluchtversuche und wurde schließlich 1975 zu 15 Jahren Haft verurteilt.

„Die sozialistische Persönlichkeit wird erzogen oder „erprügelt“, diese Erfahrung machte Ralph Weber in einem Geschlossenen Jugendwerkhof. Diese Höfe waren spezielle Heime für Jugendliche, die als verhaltensgestört und schwer erziehbar angesehen werden.

„Neben den Zeitzeugenberichten halten Experten Vorträge zu verschiedenen Themen“, so Pohl. Erkannte man den Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit? Sah man es Ihnen an? Herlmut Müller- Envergs, Mitarbeiter der Bundesbehörde für Stasiunterlagen, versucht diese Strukturen aufzuhellen.

Was bedeuten die Unterlagen des MfS für die damals Verfolgten? Welche „Wahrheit“ erzählen Sie? Einen Einblick in den Umgang mit den Akten gibt Hildigund Neubert, von der Stasi- Behöre in Thüringen.

Als dritte Ebene werden im Matthias- Grünewald-Gymnasium verschiedene Ausstellungen zu sehen sein: „Zwanzig Jahre friedliche Revolution und Deutsche Einheit“ und „Die heile Welt der Diktatur“ – Ausstellungen der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur. Außerdem „Die gelenkte Frei-Zeit“, eine Ausstellung des Archiv Bürgerbewegung
Leipzig. Wie funktionieren Trabis, Wartburgs und Co.? Auf dem Schulhof stellt der Automobilclub ;,Trabant Interessengemeinschaft Unterfranken“ seine Fahrzeuge aus. Dort kann man sie einmal etwas genauer unter die Lupe nehmen. Tobias Pohl hat sich lange Gedanken gemacht, wie man Schülern und Studenten die Geschichte der DDR schmackhaft machen könnte. Momentan arbeitet er sogar an einer Vereinsgründung. Gemeinsam mit anderen Lehrern hat er das Bildungszentrum .Aufarbeitung der  Geschichte der DDR“ ins Leben gerufen. „Wir wollen gerade in den Westbundesländern
die Geschichte des SED-Staates besser aufarbeiten und haben tolle Partner gefunden“, sagt Pohl. Zum Abschluss wird Pohl am Samstag das Bildungszentrum und sein Konzept vorstellen.

Autor: Henriette von Feilitzsch

Dieser Artikel ist am 02.05.2012 in der Mainpost erschienen

Quelle: https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/Aufarbeitung-des-Mythos-der-DDR-am-Gruenewald-Gymnasium;art735,6764165

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